Die Vergänglichkeit

Gespräch auf der Strasse nach Basel zwischen Steinen und Brombach, in der Nacht.

Der Bueb seit zum Ätti:

Fast allmol, Ätti, wenn mer's Röttler Schloss
so vor den Auge stoht, se denkt dra,
öb's üsem Hus echt au emol so goht.
Stoht's denn nit dört, so schuderig, wie der Tod
im Basler Totetanz? Es gruset eim,
wie länger as me's bschaut. Und üser Hus,
es sitzt jo wie ne Chilchli uffem Berg,
und d'Fenster glitzeren, es isch e Staat.
schwetz, Ätti, goht's em echterst au no so?
I mein emol, es chönn schier gar nit si.

Der Ätti seit:

Du guete Burst, 's cha frili si, was meinsch?
's chunnt alles jung und neu, und alles schliicht
sim Alter zue, und alles nimmt en End,
und nüt stoht still. Hörsch nit, wie 's Wasser ruuscht, 
und siehsch am Himmel obe Stern an Stern?
Me meint, vo alle rüehr sie kein, und doch
ruckt alles witers, alles chunnt und goht.

Je, 's isch nit anderst, lueg mi a, wie d'witt.
De bisch no jung; närsch, ich bi au so gsi,
jetz würd's mer anderst, 's Alter, 's Alter chunnt,
und woni gang, go Gresgen oder Wies,
in Feld und Wald, go Basel oder heim,
's isch einerlei, i gang im Chilchhof zue, -
briegg, alder nit! - und bis de bisch wien ich,
e gstandene Ma, se bini nümme do, 
und d'Schof und Geisse weide uf mim Grab.
Jo wegerli, und 's Hus wird alt und wüest;
der Rege wäscht der's wüester alli Nacht,
und d'Sunne bleicht der's schwärzer alli Tag,
und im Vertäfer poperet der Wurm.
Es regnet no dur d' Bühni ab, es pfift
der Wind dur d'Chlimse. Drüber tuesch du au
no d'Auge zue; es schömme Chindeschind
und pletze dra. Z'letzt fuults im Fundement,
und 's hilft nüt me. Und wemme nootno gar
zweitusig zehlt, isch alles z'semmegkeit.
Und 's Dörfli sinkt no selber in si Grab.
Wo d'Chilche stoht, wo 's Vogts und 's Here Hus,
goht mit der Zit der Pfluet -

Der Bueb seit:

Nei, was de seisch!

Der Ätti seit:

Je, 's isch nit anderst, lueg mi a, wie d'witt!
Isch Basel nit e schöni, tolli Stadt?
's sin Hüser drinn, 's isch mengi Chilche nit
so gross, und Chilche, 's sin in mengem Dorf
nit so viel Hüser, 's isch e Volchspiel, 's wohnt
e Richtum drinn, und menge brave Her
und menge, wonni gehnntha, lit scho lang
im Chrützgang hinterm Münsterplatz und schloft.
's isch eitue, Chind, es schlacht emol e Stund,
goht Basel au in Grab und streckt no do
und dört e Glied zum Boden us, e Joch,
en alte Turn, e Giebelwand; es wachst
do Holder druf, so Büechli, Tanne dört
und Moos und Farn, und Reiger niste drinn -
's isch schad derfür! - und sin bis dörhi d'Lüt
so närsch wie jetz, so göhn au Gspenster um,
d'Frau Faste, 's isch mer jetz, sie fang scho a,
me seit's emol, - der Lippi Läppeli,
und was weiss ich wer meh? Was stossisch mi?

Der Bueb seit:

Schwetz lisli, Ätti, bis mer über d'Bruck
do sin und so an Berg und Wald verbei!
Dört obe jagt e wilde Jäger, weisch?
Und lueg, do niden in de Hürste seig
gwiss 's Eiermeidli glege, halber ful,
's isch Johr und Tag. Hörsch, wie der Laubi schnuuft?

Der Ätti seit:

Er het der Pfnüsel! Seig doch nit so närsch!
- "Hüst, Laubi, Merz!" - und loss die Tote go,
sie tüen der nüt meh! - Je, was hani gseit?
Vo Basel, ass es au emol verfallt.
Und goht in langer Zit e Wandersma
ne halbi Stund, e Stund wit dra verbei,
se luegt er dure, lit ke Nebel druf,
und seit sim Kammerad, wo mittem goht:
"Lueg, dört isch Basel gstande! Selle Turn
seig d'Peterschile gsi, 's isch schad derfür!"

Der Bueb seit:

Nei, Ätti isch's der Ernst? Es cha nit si!

Der Ätti seit:

Je, 's isch nit anderst. lueg mi a, wie d'witt,
und mit der Zit verbrennt die ganzi Welt.
Es goht e Wächter us um Mitternacht,
e fremde Ma, me weiss nit, wer er isch,
er funklet wie ne Stern und rüeft: "Wacht auf!
Wacht auf, es kommt der Tag!" - Drob rötet si
der Himmel, und es dundert überal,
z'erst heimlig, alsgmach lut, wie sellemol,
wo Anno sechsenünzig der Franzos
so uding gschosse het. Der Bode schwankt,
ass d'Chilchtürn guge; s'Glocke schlagen a
und lüte selber Bettzit wit und breit,
und alles bettet. Drüber chunnt der Tag;
o, bhüetis Gott, me brucht ke Sunn derzue,
der Himmel stoht im Blitz und d'Welt im Glast.
Druf gschieht no viel, i ha jetz nit der Zit;
und endli zündet's a und brennt und brennt,
wo Boden isch, und niemes löscht. es glumst
wohl selber ab. Wie meinsch, sieht's us derno?

Der Bueb seit:

O, Ätti, sag mer nüt me! Zwor, wie goht's
de Lüte denn, wenn alles brennt und brennt?

Der Ätti seit:

He, d'Lüt sin nümme do, wenn's brennt, sie sin - 
wo sin sie? Seig du frumm und halt di wohl,
geb, wo de bisch, und bhalt di Gwisse rein!
Siehsch nit, wie d'Luft mit schöne Sterne prangt!
's isch jede Stern verglichlige ne Dorf,
und witer obe seig e schöni Stadt,
me sieht si nit vo do, und haltsch die guet,
se chunnsch in so ne Stern, und's isch der wohl,
und findsch der Ätti dört, wenn's Gottswill isch,
und 's Chüngi selig, d'Muetter. Öbbe fahrsch
au d'Milchstross uf in die verborgeni Stadt,
und wenn de sitwärts abe luesch, was siehsch?
e Röttler Schloss! Der Belche stoht verchohlt,
der Blauen au, as wie zwee alti Türn,
und zwische drinn isch alles use brennt
bis tief in Boden abe. D'Wiese het
ke Wasser meh, 's isch alles öd und schwarz
und totestill, so wit me luegt - das siehsch
und seisch dim Kamarad, wo mitder goht:
"Lueg, dört isch d'Erde gsi, und selle Berg
het Belche gheissse! Nit gar wit dervo
isch Wislet gsi; dört hani au scho glebt
und Stiere gwettet, Holz go Basel gfüehrt
und brochet, Matte graust und Liechspöh gmacht
und gvätterlet bis an mi selig End,
und möcht jetzt nümme hi." - "Hürst Laubi, Merz!"

 

 

Johann Peter Hebel 1803